In Deutschland ist die Diskussion um Cannabistherapie noch immer geteilt. Während Befürworterdas medizinische Cannabis als vielseitiges Heilmittel sehen, bleibt es für Gegnereine Droge. Für eine objektive Betrachtung der Therapieoptionen mit Cannabis ist es ratsam, politische Ansichten beiseite zu lassen.
In diesem Beitrag werden die Voraussetzungen für eine Verschreibung von Cannabis durch den Arzt, die Krankheitsbilder, bei denen Cannabis helfen kann, und die Möglichkeiten zur Suche nach einem passenden Cannabis Arzt erläutert.
Wesentliche Punkte
Cannabis wird zur Behandlung einer Vielzahl von chronischen Erkrankungen eingesetzt, insbesondere wenn herkömmliche Therapien nicht wirksam waren. Zu den Anwendungsbereichen zählen unter anderem chronische Schmerzen, Depressionen, Migräne, Schlafstörungen und Endometriose. Eine Cannabistherapie verursacht in der Regel weniger und mildere Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Schmerztherapie mit Opioiden oder Opiaten, wobei diese Nebenwirkungen oft nur zu Beginn der Therapie auftreten. In Deutschland kann medizinisches Cannabis nur auf ärztliche Verschreibung hin erworben werden. Allerdings sind nur wenige Ärzte auf diese Behandlung spezialisiert. Die telemedizinische Plattform von Algea Care bietet eine Lösung, um einfach einen passenden Cannabis-Arzt zu finden.
Was versteht man unter einer Cannabistherapie?
Bei der Verschreibung von Cannabisarzneimitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Berichte über die Anwendung zu erstellen. Die Zwischenergebnisse der sogenannten Cannabisbegleiterhebung zeigen, dass in Deutschland verschiedene Formen von Cannabis Medikamenten genutzt werden, darunter:
- Dronabinol – reines Tetrahydrocannabinol (THC)
- Cannabisblüten – enthalten THC und CBD
- Sativex® – ein Gemisch aus THC und CBD
- Cannabisextrakte – Mischungen mit definierten Gehalten an THC und CBD
Bei der Verschreibung von Cannabisblüten waren in den ersten drei Jahren nach der Legalisierung von medizinischem Cannabis vor allem Sorten mit einem THC-Gehalt über 20 % gefragt. Im Verlauf der Therapie wurden Dosierung, Sorte und Art der Anwendung häufig angepasst, wobei die Inhalation über Verdampfung als schonende Einnahmeform gilt.
Bei welchen Krankheitsbildern wird eine Cannabistherapie empfohlen?
Laut einer 2021 im Springer Link veröffentlichten Studie über die Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung verwenden 73 % der Patientmedizinisches Cannabis zur Schmerzbehandlung. Weitere 10 % nutzen es gegen Spastik, und 6 % zur Behandlung von Anorexie und Wasting [1].
Cannabis hat aufgrund seiner vielen Wirkstoffe eine vielseitige Anwendung bei chronischen Erkrankungen und Zuständen, bei denen konventionelle Therapien bisher keine Erfolge erzielten. Da es auf das körpereigene Endocannabinoid-System wirkt, kann es sowohl bei körperlichen als auch bei psychischen Symptomen helfen.
Obwohl das neue Betäubungsmittelgesetz (BtMG) keine spezifischen Krankheiten nennt, bei denen Cannabis verordnet werden darf, führt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin eine Liste mit psychischen und körperlichen Indikationen, bei denen medizinisches Cannabis hilfreich sein kann. Dazu zählen ADHS, Migräne, chronische Schmerzen, Depressionen, Schlafstörungen, Endometriose, Multiple Sklerose, Epilepsie und Morbus Crohn.
Cannabis in der Schmerztherapie: Eine vielversprechende Alternative
Eine 2016 in der National Library of Medicine veröffentlichte Studie legt nahe, dass Cannabis eine wirksame Alternative zu Opiaten in der Schmerztherapie sein könnte [2]. Besonders der schmerzlindernde und entspannende Effekt von Cannabis spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Patient, die mehrere Medikamente einnehmen, erleben häufig starke Nebenwirkungen. Eine Cannabistherapie kann hier als Alternative zur herkömmlichen Medikation beginnen oder ergänzend eingesetzt werden. Wichtige Cannabinoide in medizinischem Cannabis können aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit körpereigenen Endocannabinoiden Schmerzimpulse blockieren. Dies ist eine vielversprechende Option für diejenigen, die nach alternativen Behandlungsansätzen für chronische Schmerzen suchen.
Cannabistherapie bei Migräne
Migräne ist medizinisch noch immer ein Mysterium und gilt als unheilbar. Neben Prävention und sanften Modalitäten wie Ausdauersport und Entspannungsübungen kann medizinisches Cannabis, insbesondere Indica und Hybrid-Genetiken, die Häufigkeit und Intensität von Migräneanfällen verringern.
Es wird vermutet, dass Migräne durch Durchblutungsstörungen und eine Störung des Botenstoffflusses im Gehirn verursacht wird. Medizinisches Cannabis kann durch seine schmerzlindernden Eigenschaften eine nützliche Ergänzung zur Behandlung sein.
Cannabistherapie bei Depressionen
Wenn Antidepressiva nicht wirken oder zu belastenden Nebenwirkungen führen, kann medizinisches Cannabis eine Alternative für Menschen mit Depressionen sein. Depressionen sind oft begleitet von Symptomen wie Leistungseinbruch, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Angstzuständen, Traurigkeit und Suizidgedanken.
Sowohl CBD als auch THC können bei richtiger Dosierung und regelmäßiger Anwendung stimmungsaufhellend wirken. Neuere Studien zeigen, dass CBD an die Serotonin-Rezeptoren im Gehirn bindet und so einen antidepressiven Effekt erzielt [3].
Cannabistherapie bei Schlafstörungen
Schlafstörungen umfassen Probleme beim Ein- und Durchschlafen. Oft werden sie mit verschiedenen Psychopharmaka behandelt, die sich gegenseitig in der Wirkung behindern können. Cannabinoide könnten hier eine sanftere Alternative bieten, da sie sowohl das Einschlafen fördern als auch das Durchschlafen erleichtern können, ohne den Folgetag zu beeinträchtigen.
Cannabis unterstützt das Nervensystem schon tagsüber und kann das Stressempfinden reduzieren, was besonders bei chronischen Schlafstörungen hilfreich ist.
Cannabistherapie bei Endometriose
Für viele Frauen sind die gängigen Behandlungen für Endometriose unbefriedigend. Schmerzmittel bringen selten Linderung und Hormonpräparate können schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Eine Behandlung mit medizinischem Cannabis könnte eine schonendere Alternative bieten. Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass Cannabis die Symptome von Endometriose, einschließlich Unterleibsschmerzen und Schlafstörungen, lindern kann [4].
Wer kann Cannabis verschrieben bekommen?
Seit 2017 kann in Deutschland Cannabis verschrieben werden, wenn konventionelle Therapien nicht verfügbar sind oder nicht geeignet erscheinen. Haus- oder Fachärzte können Cannabis verordnen, wenn sie eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf oder die Symptome erwarten.
Die Forschung zu Cannabis als Medikament steckt jedoch noch in den Anfängen, sodass die genaue Dosierung und Anwendungsbereiche noch nicht ausreichend untersucht sind.
Entstigmatisierung von Cannabis-Medikamenten
In Deutschland gelten Cannabisprodukte mit mehr als 0,2 % THC als illegale Suchtmittel. Ein unkontrollierter Konsum kann zu Abhängigkeit und negativen psychischen Auswirkungen führen. Dennoch sollte zwischen medizinischer Anwendung und Missbrauch differenziert werden.
Fazit
Obwohl die Forschung zu Cannabis als Medikament, insbesondere bei Multiple Sklerose, zunimmt, gibt es noch viel zu entdecken. Die bisherigen Studien zeigen, dass Cannabis bei Muskelspastizität und neuropathischen Schmerzen eine lindernde Wirkung hat. Nebenwirkungen sind selten und meist mild.
Quellenangaben
[1] Schmidt-Wolf, G. & Cremer-Schaeffer, P. (2021). 3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 64, 368–377 (2021). https://doi.org/10.1007/s00103-021-03285-1
[2] Boehnke, K. F., Litinas, E., Clauw, D. J. (2016). Medical Cannabis Use Is Associated With Decreased Opiate Medication Use in a Retrospective Cross-Sectional Survey of Patients With Chronic Pain. National Library of Medicine, 17(6), 739-44.
[3] Sales, A. J., Crestani, C. C., Guimarães, F. S., & Joca, S. R. (2018). Antidepressant-like effect induced by Cannabidiol is dependent on brain serotonin levels. Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry, 86, 255-261.
[4] Sinclair, J., Smith, C. A., Abbott, J., Chalmers, K. J., Pate, D. W., & Armour, M. (2020). Cannabis use, a self-management strategy among Australian women with endometriosis: results from a national online survey. Journal of Obstetrics and Gynaecology Canada, 42(3), 256-261.